Eine Ruine ist ein Gebäude, das keine Kraft mehr hatte.
Langjähriger Leerstand von Schlössern und Rittergütern ist immer wieder ein Thema, das mit Unverständnis einher geht. Obwohl solche historische Bausubstanz oft unter Denkmalschutz gestellt wurde und damit als erhaltens- und schützenswürdig gilt, wird offenbar hingenommen, dass der Leerstand nicht beendet wird und es so schlimmstensfalls zu weiteren massiven Schäden am Bauwerk kommt. Gründe für einen Leerstand gibt es viele. Die häufigsten sind:
01. Zu hohe Kaufpreiserwartungen.
Mitunter sind Eigentümer der Ansicht, dass ein Schloss nur deshalb einen höheren Kaufpreis wert sei, weil es ein Schloss ist. Letztendlich ist ein Schloss eine Immobilie, für die genauso ein Wertgutachten erstellt werden kann, das Vorteile und Mängel aufschlüsselt, wie für ein Einfamilienhaus oder eine Lagerhalle. Kaufpreise, die deutlich über einem Wertgutachten liegen, werden selten erzielt. Dazu kommt der wohl wichtigste Faktor in der Immobilienbranche: die Lage. Ein (zu) teures Schloss, das aufgrund seiner Lage kaum ein wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept zulässt, wird wohl oder übel auf lange Zeit leerstehen.
02. Zu niedrige Kaufpreisangebote.
Das Pendant zu zu hohen Kaufpreiserwartungen sind zu niedrige Kaufpreisangebote. Hin und wieder werden Interessenten gebeten ein Angebot zu unterbreiten, zu welchem Preis sie das Herrenhaus oder Rittergut erwerben möchten. Daran kann der Eigentümer abschätzen, welche Wertvorstellungen der Interessent hat und inwieweit er sich finanziell auf das Vorhaben einlässt. Doch auch wenn ein Schloss lange leersteht, hat es unter Beachtung von Vorteilen und Abzug von Mängeln einen Wert. Weder private noch kommunale Eigentümer haben etwas zu verschenken.
03. Spekulationsobjekte.
Manche Herrenhäuser oder Schlösser werden gekauft, um sie gegen Aufpreis möglichst schnell weiterzuverkaufen. Hin und wieder verfügt ein Zwischenkäufer über die nötigen guten Kontakte, um das Gebäude nebst Grundstück relativ zügig und für sich selbst gewinnbringend wieder zu vermitteln. Es gibt allerdings auch Beispiele, bei denen ein Bauwerk, das eh schon lange leersteht und verhältnismäßig preiswert zum Angebot kommt, aufgekauft wird und zu einem Mehrfachen einfach wieder auf den Markt kommt – und dort weiter verweilt. Bekommt die Presse davon Wind, wird es noch schwieriger das Gebäude zu verkaufen. Wer will schon den doppelten oder dreifachen Preis zahlen, wenn der kürzlich bezahlte Preis recherchiert werden kann?
04. Kaufverträge stellen sich als rechtswidrig heraus.
Oftmals liegt es an Formfehlern, dass sich Kaufverträge im Nachhinein als rechtswidrig erweisen. Auch wenn anzunehmen ist, dass in das Verfahren involvierte Notare und Anwälte mit der Materie eines Grundstückskaufvertrages vertraut sind, kommt es dennoch immer mal wieder zu rechtswidrigen Verträgen. Dadurch verzögern sich nicht nur Sanierungen, mitunter platzt auch das komplette Geschäft.
05. Investitionsklauseln werden nicht erfüllt.
In Kaufverträgen sind heute verstärkt sogenannte Investitionsklauseln festgeschrieben, die innerhalb einer bestimmten Frist die nachweisliche Investition einer Summe X fordern. Damit wollen sich insbesondere verkaufende Städte und Gemeinden in der Form absichern, dass der neue Eigentümer gezwungen ist sich um die Immobilie zu kümmern, da ansonsten eine Rückabwicklung des Geschäftes vorgenommen wird. Gründen der Nichterfüllung der Investitionsklausel, die nicht in der Natur des neuen Eigentümers liegen, wird dabei durchaus mit Kulanz begegnet. Ergibt die Prüfung jedoch, dass Nachlässigkeit oder unzureichende finanzielle Möglichkeiten zur Nichterfüllung der Verpflichtung geführt haben, wird zum Schutz des Bauwerkes zunehmend vom vereinbarten Recht auf Rückübertragung Gebrauch gemacht.
06. Auflagen können nicht umgesetzt werden.
Nicht nur vom Denkmalschutzamt kommen Auflagen. Auch anderweitig können mit dem Erwerb eines Schlosses Auflagen verbunden sein, etwa das Fortführen oder Einrichten eines Museums, der Schutz schutzwürdiger Tiere oder Pflanzen, die Versagung von gewerblicher Nutzung oder die Verpflichtung zur teilweise öffentlichen Nutzung. Zu hohe oder zu einschränkende Auflagen führen oft zu immensen Mehrkosten und/oder dazu, das ein Konzept nicht mehr tragfähig ist.
07. Fördermittel werden nicht gewährt.
Über Fördermittel des Denkmalschutzes können Mehrausgaben für eine denkmalschutzgerechte Sanierung ausgeglichen werden. Dabei handelt es sich um Kann-Leistungen. Ist der Fördermitteltopf leer, ist er eben leer. Es besteht kein Anspruch auf Denkmalschutzfördermittel und ein Antrag kann deshalb auch negativ beschieden werden. Wurden diese Fördermittel im Finanzierungsplan fest eingeplant, kann im Falle einer negativen Bescheidung schnell eine nicht unerhebliche Summe fehlen und das gesamte Konzept zum Platzen bringen.
08. Unterschätzung des Bauvorhabens.
Dazu kann es schnell kommen, selbst wenn umfangreiche Vorbereitungen getroffen wurden. Gründe dafür gibt es viele. Ein Sanierungsvorhaben betrifft immer einen längerfristigen Zeitraum. Häufig bereiten in dieser Zeit auftretende Materialpreiserhöhungen, steigende Personalkosten, wetter- und witterungsbedingte Bauverzögerungen, im Vorfeld nicht erkenn- oder erahnbarer Mehraufwand oder im Nachhinein versagte Genehmingungen erhebliche Probleme. Übersteigen dann die Kosten das eingeplante Budget nebst Reserve, ist der Traum meist ausgeträumt. Vor einem Konkurs sind selbst größere Firmen nicht gefeit.
09. Auftretender finanzieller Mehrbedarf.
Während einer Sanierung kann es zu unvorhergesehenen Mehrausgaben kommen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn im Rahmen der Sanierung Deckengemälde oder Wandmalereien freigelegt werden, die zeit- und vor allem kostenaufwändig restauriert werden müssen. Dadurch kann eine geplante Raumaufteilung oder Nutzung hinfällig werden. Werden Mehrausgaben weder durch eigene noch durch Fremdmittel gedeckt, können sie ein großes, unstopfbares Loch in den Finanzierungsplan reißen. Ein anderes Beispiel ist, wenn durch Witterungseinflüsse und Wetter Bauverzögerungen hervorgerufen werden. Durch weiterlaufende Kosten treten nicht nur Mehrausgaben auf; ein verspäteter Nutzungsbeginn führt zudem zu Einnahmeverlusten.
10. Uneinigkeit beim Konzept.
Von neuen Eigentümern wird zum Teil erwartet, dass Anlagen, die bisher öffentlich waren, auch weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Der Wunsch ist verständlich, wird doch gern ein Gewohnheitsrecht bemüht. Auch um sich mit Einwohnern gut zu stellen, ist es in den meisten Fällen sinnvoll, die Zugänglichkeit zu Parkanlagen, Museen, Vereins- und Trauzimmern weiterhin zu gewährleisten. Was jedoch gern vergessen wird, außer von den Eigentümern-in-spe, ist die Tatsache, dass mit der öffentlichen Nutzung deutliche Mehrkosten verbunden sind, für die im Gegenzug selten Unterstützung, gleich welcher Form, von außen gewährt wird. Den neuen Eigentümern, die sich für den Erhalt des Gebäudes engagieren, werden damit insbesondere finanzielle Nachneile aufgebürdet.
Sieht das Nutzungskonzept beispielsweise hochwertige Eigentumswohnungen vor, könnte es einen Interessenkonflikt geben, wenn die unmittelbare Parkanlage öffentlich zugänglich bleiben soll: Die künftigen Bewohner wären in ihrer Privatsphäre eingeschränkt. Das Rattenschwanz-Szenario könnte so aussehen: Schlechtere Verkaufbarkeit, finanzielle Einbußen des Eigentümers bis hin zur Insolvenz, Arbeitsplatzverlust für Mitarbeiter. Ohne Kompromiss wird ein Investor vorsichtig sein. Manche Bauwerke erfordern aufgrund ihrer Vergangenheit auch ein besonders sensibles Nutzungskonzept. Auch durch Proteste kam es bereits dazu, dass Schlösser weiterhin leerstanden.
Dieser Beitrag benennt informativ häufige mögliche Gründe für den Leerstand von Schlössern, Herrenhäusern und Rittergütern. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird bedarfsweise ergänzt. Der Beitrag dient ausdrücklich nicht dazu, Leerstand zu rechtfertigen.