Die dänische Grenzwallanlage
Das Danewerk war eine Grenzwallanlage des Früh- bis Hochmittelalters, welche die Dänen vermutlich zum Schutz gegen slawische Stämme errichtet hatten. Ab dem 10. Jahrhundert schützte das Danewerk das dänische Reich überwiegend vor der Expansion des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Der Name “Danewerk” leitet sich vom dänischen “Danæwirchi”, das mit “Deich der Dänen” übersetzt werden kann, ab. Weitere Übersetzungen beziehen sich auf den zweiten Wortteil “virki”, auf Deutsch Werk, sowie auf die germanischen Wörter “werki” und “wirchiae” für Wall oder Befestigung.
1231 ist im Erdbuch von Waldemar II. die Wallanlage als Danewirki bzw. Danwirki verzeichnet. Heute sind das deutsche Danewerk sowie das dänsche Danevirke die gebräuchlichen Bezeichnungen für die Grenzwallanlage. Die älteste bekannte, historische Quelle stammt von Einhard, dem Biographen Karls des Großen. In seinen fränkischen Reichsannalen von 808 bezeichnete er das Danewerk als “Verteidigungswall” und “Grenze seines Reiches”. Diese Auffassung gilt bis heute als Deutung des Bodendenkmals. Er berichtete ebenso von einem Wall, der von der Ostsee bis zur Nordsee reichte, und dass der dänische König Godofridus den Bau des Danewerks in Auftrag gegeben habe.
Archäologie des Walls
Über eine Gesamtlänge der einzelnen Wälle von etwa 31 km verlief das Danewerk von Hollingstedt im Westen nach Haithabu im Osten. Die natürlichen Gegebenheiten dienten zusätzlich dem Schutz des dänischen Königreiches. So erschwerten die Schlei östlich von Haithabu sowie das sumpfige und unpassierbare Gebiet um Eider und Treene westlich von Hollingstedt ein Eindringen nach Dänemark. Speziell hier an der Schleswiger Landenge, ein etwa 4,5 km breiter Tieflandpass zwischen Schleswig und Kurburg, reichte ein Sperrwerksystem von ungefähr 13 km Länge, um das dänische Gebiet zu schützen. Der Ostwall, eine Schanzenstellung zwischen Windebyer Noor bei Eckernförde und der Schlei, sollte die Halbinsel Schwansen schützen und ist räumlich vom Danewerk getrennt.
Wie bedeutend die Anlage einst gewesen sein muss, lässt sich aus der Größe des stehenden Heeres ableiten: 13.000 Mannen waren einst mit dem Schutz, der Verteidigung und mit dem weiteren Ausbau der Wallanlage beschäftigt. Archäologisch ist der Wallbau in dieser Größenordnung allerdings nicht nachweisbar. Geografisch ist zudem zu berücksichtigen, dass Hollingstedt noch recht weit von der Nordsee entfernt liegt und von einer Wallanlage westlich Hollingstedts bis an die Nordseeküste nirgendwo die Rede ist. Allerdings war die Treene zur damaligen Zeit bis Hollingstedt schiffbar, so dass über die Treene und weiter über die Eider der Zugang zur Nordsee gegeben war.
Erhaltungsgrad
Die Wallanlagen des Danewerks sind zu fast 80 Prozent erhalten. Es muss berücksichtigt werden, dass ein Erdwall im Laufe der Jahrhunderte durch äußere Einflüsse zusammensinkt. So war 1948 nur noch etwa ein Fünftel dieses Systems von Wällen in ungefähr originaler Höhe erhalten. Die Wälle waren demnach ursprünglich höher und vermutlich auch steiler gewesen. An einigen Stellen verläuft die Wallanlage durch bebaute Ortslagen und Wohngebiete, entlang von Straßen und Wanderwegen, sie grenzt an Gewerbegebiete und an den militärischen Flugplatz Jagel und dient als Ackerland.
Der Göttrikswall
Basierend auf den fränkischen Reichsannalen wird noch unter Sophus Müller der Hauptwall mitsamt dem Krummwall als Göttrikwall angesehen, jener Wallzug, der laut den Annalen von der Ostsee bis zur Nordsee reichte. Die neueren Forschungen brachten auch neue Ergebnisse: So wurde mittels dendrochronologischer Untersuchungen eine erste Bauphase am Hauptwall und auch am Krummwall auf das beginnende 8. Jahrhundert datiert, während der Kograben gut ein Jahrhundert jünger sei und auf das Geheiß von König Gudfred, der von 804 bis 810 in Haithabu regierte, angelegt worden sein soll.
Damit würde einerseits der Kograben als Göttrikswall betrachtet werden können, andererseits war dieser nur etwa 7 km lang und reichte keineswegs bis zur Nordsee. Ob Einhard sich in den Reichsannalen vielleicht auf die beiden Wälle vor Gudfreds Zeit bezogen hat, bliebe nochmals nachzuprüfen.
Historische Entwicklung
Im Jahr 974 stürmten die Truppen von Kaiser Otto II. das schon stark befestigte Danewerk und eroberten die jütländische Halbinsel. Der dänische König leistete einen Lehnseid, woraufhin das Gebiet zwischen Schlei und Eider wieder deutsche Grenzmark wurde, so wie einst schon 810, als Karl der Große eine Grenzmark des Fränkischen Reichs gegen die Dänen errichtete. Mit dieser Übereinkunft zwischen dem Dänenkönig und Otto II. verblieb das Danewerk offenbar als dänische Grenze.
Etwa ein halbes Jahrhundert später, im Jahre 1027, trat der Kaiser Konrad II. dem dänischen König Knut dem Großen Schleswig mit jener Grenzmark anlässlich der Vermählung ihrer beiden Kinder wieder ab. Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark verlief endgültig südlich des Danewerks entlang der Eider.
Spätestens als Holstein zu Beginn des 13. Jahrhunderts dänischer Reichsteil wurde, verlor das Danewerk seine Funktion als militärische Befestigungsanlage und begann zu verfallen. Auch wenn Holstein sich der dänischen Herrschaft 1227schließlich entledigen konnte, kam dem Danewerk keine Verteidigungsfunktion mehr zu, denn die Beziehungen zwischen dem deutschen Holstein und dem dänischen Schleswig wurden enger. Außerdem gewannen zu jener Zeit befestigte Burgen zunehmend größere militärischere Bedeutung. Erst im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 erlebte das Danewerk eine Renaissance.
Historische Zeitzeugnisse
In einer 1794 erstellten Verkoppelungskarte sind an drei Stellen weitere Wallreste gekennzeichnet. Zum einen ist ein Wallstück eingezeichnet, welches an der Straße Hollingstedt-Klove beginnt, entlang des heutigen Mühlenweges bis zum Wegeknick verläuft, dort in östliche Richtung abbiegt und am Schlippenwasserlauf endet. Ein zweites Stück verläuft bis zum Westrand der Gehöftegruppe Busch. Das dritte Wallstück verläuft im Flurstück Achterwall, in älteren Karten auch als Sönckensholt und Sankt Johannisholtz bezeichnet, und endet dort, wo sich auch heute der Wall verliert.
Als 1974 mit dem Bau der NATO-Pipeline begonnen wurde, die zwischen der Gehöftegruppe Busch und dem Schlippenwasserlauf verläuft, wurden einige Wallreste entdeckt, welche die Glaubwürdigkeit der Karte von 1794 unterstützen. Bereits frühere Grabungen bestätigten dies.
1841 wurde das Gelände westlich von Morgenstern untersucht und im Ergebnis festgehalten, dass der Krummwall noch circa 125 bis 150 Meter in den Hollingstedter Wiesen sowie von der “Schmalenburg” bis zur “Treenburg” sichtbar sei. Die zwei Flurnamen Schmalenburg und Treenburg bezeichnen jeweils Wiesengrundstücke. Schmalenburg befindet sich östlich der Gehöftegruppe Busch und wartet mit einem kleinen Wallstück auf. Treenburg grenzt an die Ostseite des Mühlenweges. Die Herkunft dieser Namen ist nicht bekannt. Auch die Existenz von Burgen oder anderen Befestigungsanlagen mit diesen Namen ist bislang noch nicht untersucht worden.
Der Bau des Danewerks
Der Hauptwall des Danewerks weist nach neuesten Erkenntnissen insgesamt neun Bauphasen auf, von denen die ersten acht dem Mittelalter zuzuordnen sind. Die letzte Bauphase erfolgte ab 1861, als die Reaktivierung des Danewerks in Gang gesetzt und militärische Schanzen gebaut wurden. In den Bauphasen 1 bis 4 handelte es sich entsprechend der frühen Architektur um Erdwälle mit hölzerner Frontpalisade sowie davor liegendem Graben. Während bis zur dritten Bauphase Umbauten zur Verstärkung der Befestigungsanlage durchgeführt wurden, indem der Krummwall und der Hauptwall als Sodenwälle von Hollingstedt an der Treene bis zum Dannewerker See ausgeführt wurden, stellt die vierte Phase eine Erneuerung des Walls dar. Als diese vierte Phase wird jeder Wallbau angesehen, der auf das Jahr 737 datiert werden konnte und als die Hauptbauphase “Danewerk I” betrachtet wird.
In der fünften Bauphase entstand wahrscheinlich um 1100 eine vor dem Wall befindliche Feldsteinmauer. Dieser Bau hielt jedoch den Witterungseinflüssen nicht lange stand, weshalb eine Stabilisierung mittels Aufschüttungen zwischen Mauer und Wall sowie der Bau eines Wehrgangs auf der Wallkrone probiert wurden. Nach einem erneuten Absturz wurde die Feldsteinmauer schließlich in der siebten Bauphase mit Erde überschüttet.
Die achte Bauphase bezieht sich vor allem auf die Waldemarsmauer, die König Waldemar der Große als Ziegelmauer unmittelbar vor dem letzten Bau errichten ließ. König Waldemar I. war der Sohn von Knud Lavard, Jarl und Herzog von Schleswig, der als möglicher Erbauer der Feldsteinmauer betrachtet wird. Legt man jedoch zugrunde, dass Lavard 1100 gerade 4 Jahre alt war, muss davon ausgegangen werden, dass die Feldsteinmauer entweder einige Jahre nach 1100 entstand oder von Lavards Vater König Erik I. von Dänemark beauftragt wurde.
Archäologischen Untersuchungen zufolge wird von drei großen Bauphasen berichtet. Die erste nachweisbare Hauptbauphase begann etwa um 700. Um 1180 endete die dritte Hauptbauphase. Doch weder archäologisch noch zeitlich belegt sind mit dem jetzigen Wissensstand die bereits erwähnten Vermutungen einiger Forscher, dass schon vor dem Danewerk I drei ältere, vorwikingerzeitliche Ausführungen des Bauwerkes, die Bauphasen 1 bis 3, entstanden waren.
Zum einen wurden die Jahre 650 sowie 680 ins Spiel gebracht, zum anderen sollen die Anfänge des Danewerks bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen. Noch eine andere Quelle bezieht sich auf die Römische Kaiserzeit, in welcher ein erster Vorläufer des Danewerkes entstanden sein soll. In der Archäologie wird die Zeit der Frühgeschichte bis 375 n. Chr. der Römischen Kaiserzeit zugeordnet.
Sollten die Forschungen einmal belegen, dass tatsächlich bereits zu dieser Zeit ein Vorgänger des Danewerks existiert hat, wäre das Danewerk noch über 300 Jahre älter als heute angenommen. Einzig dass die vorwikingerzeitlichen Wälle simple Erdwälle waren, während die Wikinger ihre Befestigungsanlage zu einer mächtigen Wallanlage ausbauten, gilt als gesichert.
Hauptbauphasen I – III
Bauphase I – Hauptwall, Nordwall, Osterwall, Schlei-Sperrwerk
In der ersten Bauphase des Danewerks entstanden das Schlei-Sperrwerk, der Hauptwall, der Nordwall, der Ostwall beziehungsweise Osterwall sowie eine 5,5 km lange mit Lehm befestigte Feldsteinmauer von jeweils 3 m Höhe und Breite. Für den etwa 1,6 km langen Nordwall, welcher vom Westende der Schlei bis zum verlandeten Danewerker See verlief, konnte eine Entstehungszeit um 737 bestimmt werden. Einige Kilometer entfernt nahe Eckernförde befand sich der Osterwall, der mit dem eigentlichen Danewerk in keiner direkten baulichen Verbindung stand. Dieser Abschnitt wurde nach der Wikingerzeit nicht weiter ausgebaut und ist heute nur noch stellenweise und extrem abgeflacht zu erkennen.
Die Erbauungszeit des Danewerk I lag zwischen 700 und 750 und wird genauer auf das Jahr 737 datiert. Dieser Datierung liegen dendrochronologische Untersuchungen, das heißt Auswertungen von Jahresringen von Bäumen, zugrunde. Mit einer Holzpalisade als Wallfront entstand ein etwa 2 m hoher und 12 m breiter Erdwall. Da es keine gesicherten historischen Erkenntnisse gibt, kann über den Anlass der Erbauung nur spekuliert werden. Möglicherweise diente die Anlage der Verteidigung gegen die nordelbischen Sachsen oder die slawischen Stämme, die im heutigen Raum Ostholstein ansässig waren.
In einer anderen Quelle ist der Gedanke nachzulesen, dass der Hauptwall jünger sein müsse. In der Begründung wird hauptsächlich angeführt, dass der Hauptwall und Haithabu keine Verteidigungslinie bilden und vor dem Hauptwall sich ein Sohlgraben befindet, eine Grabenart, die erst nach den Spitzgräben wie etwa beim Kograben ausgeführt wurde.
Die für am wahrscheinlichsten gehaltene Bauzeit des Hauptwalls wird mit “zwischen 935 und 950” angegeben. Dem gegenüber stehen allerdings mehrere Gegenargumente: Einerseits die zuvor erwähnten dendrochronologischen Untersuchungen mit ihren Datierungsergebnissen, andererseits die Verbindung des Hauptwalls mit dem Halbkreiswall von Haithabu mittels des Verbindungs- bzw. Margarethenwalls. Während seiner Regierungszeit von 804 bis 810 ließ der dänische König Gudfred zur Sicherung von Haithabu das Danewerk um den Kograben erweitern, der fast bis an den Hauptwall reichte. Dadurch ist die Ostsee-Nordsee-Verbindung gegeben, die Einhard in seinen Reichsannalen 808 vermerkte.
Bauphase II – Kograben
In der zweiten Bauphase wurde der Kograben, dänisch Kovirke, errichtet.
Bauphase III – Hauptwall, Krummwall und Margarethenwall
In der dritten Bauphase wurde der etwa 5 km lange Hauptwall zwischen 960 und 970 unter dem Dänenkönig Harald Blauzahn mehrfach erweitert. Dieser erreichte nun eine Höhe von bis zu 7 m und war bis zu 30 m breit. Weiterhin entstanden der Margarethen- oder auch Verbindungswall, der Krummwall, der Bogenwall sowie der Doppelwall. Die beiden zuletzt genannten Wälle wurden nördlich und südlich des Verbindungswalles am Hauptwall angefügt. Die Struktur des Walls wurde beim Bau der militärisch genutzten Schanzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts teilweise erheblich zerstört.
Kastenbauwerke
Nahe der Thyraburg, wo der Hauptwallzug den mittlerweile verlandeten Dannewerker See durchquert, wurden 1929 mehrere große Holzbalken in feuchteren Bodenschichten aufgefunden. Forschungen im Jahr 1972 ergaben, dass es sich um ein Kastenbauwerk von 6 x 4 m Größe aus Eichenbalken handelte. Mittels Dendrochronologie konnte das Jahr 737 für dieses Kastenbauwerk festgestellt werden. 1983 wurde festgestellt, dass es sich um eine Fortsetzung der Feldsteinmauer handelt. Das 1972 aufgefundene Bauwerk ist im Museum Moesgård im dänischen Højbjerg ausgestellt. Weitere seither lokalisierte Kastenbauwerke wurden nicht geborgen. Über dem Kastenbauwerk wurden im 10. Jahrhundert Aufbauten vorgenommen.
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Last Updated on 11. Februar 2024 by Sachsens Schlösser