Haithabu – Die Wikinger-Metropole

Die Metropole der Wikinger

Die einst größte Wikingerstadt des Nordens und der bedeu­tendste Handelsplatz der Dänen wurde durch einen Halbkreiswall geschützt und in die Grenzwallanlage des Danewerks ein­ge­bun­den. Die Metropole Haithabu mit ihren ver­mut­lich andert­halb­tau­send Einwohnern stand im 10. Jahrhundert in ihrer Blütezeit.

Haithabu konnte sich nach einer zwei­ma­li­gen Zerstörung, zuletzt im Jahre 1066, nicht mehr erho­len. Ein Wiederaufbau erfolgte nicht. Vielmehr ver­leg­ten die Einwohner ihre Siedlung an das andere Ufer der Schlei. Schleswig darf somit als Nachfolgesiedlung von Haithabu ange­se­hen wer­den. Das zer­störte Haithabu ver­fiel wei­ter. Der Wasseranstieg von Ostsee und Schlei ließ die Überreste schließ­lich ver­sin­ken und vergessen.

Die Geschichte von Haithabu

Mit der Völkerwanderung rück­ten die Dänen und die Jütländer in der ers­ten Hälfte des 8. Jahrhunderts in das bis dahin dünn besie­delte Land um Schlei und Eckernförder Bucht vor. Haithabu wurde spä­tes­tens um das Jahr 770 süd­lich des heu­ti­gen Walls gegrün­det und hält den Status inne, die älteste Stadt auf ehe­ma­li­gem däni­schem Gebiet zu sein. Im 9. Jahrhundert ent­stan­den zwei wei­tere Siedlungen, eine nörd­lich des Walls und eine zwi­schen den bei­den Siedlungen am Haithabu-​Bach. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts wur­den der nörd­li­che und süd­li­che Teil wie­der auf­ge­ge­ben. Die mitt­lere Siedlung blieb bestehen und wurde in der zwei­ten Hälfte des 10. Jahrhunderts durch einen Halbkreiswall in die Grenzanlage des Danewerks integriert.

Haithabu avan­cierte schon bald als Hafenstadt zum bedeu­tends­ten Handelszentrum der Dänen. Dazu tru­gen Handelsbeziehungen mit dem Baltikum, der süd­li­chen Ostseeküste sowie Nord- und Westeuropa bei. Auch mit der spä­ter unter­ge­gan­ge­nen Stadt Vineta sowie mit Ralswiek wur­den Handelsbeziehungen gepflegt. Weiterhin dien­ten die Zerstörung des kon­kur­rie­ren­den sla­wi­schen, spä­ter eben­falls unter­ge­gan­ge­nen und sagen­um­wo­be­nen Handelsortes Reric im Jahr 808 und die Zwangsumsiedlung der Rericer Kaufleute nach Haithabu des­sen Aufstieg. Im 10. Jahrhundert erreichte Haithabu seine Blütezeit und zählte min­des­tens 1.500 Einwohner.

König Gudfred und Sliasthorp

Der däni­sche König Gudfred regierte von 804 bis zu sei­ner Ermordung 810 von Haithabu aus. Er gilt als Begründer von Schleswig, wel­ches 804 erst­mals als “Sliasthorp” erwähnt wurde, und ließ zur Sicherung von Haithabu das Danewerk um den vor­ge­la­ger­ten Kograben erweitern.

810 soll unter Karl dem Großen eine Grenzmark des Fränkischen Reichs gegen die Dänen errich­tet wor­den sein, die Dänische Mark oder auch Mark Schleswig, die sich nörd­lich der Eider bis zum Danewerk sowie zwi­schen Husum und Schleswig erstreckte. Sie könnte aber auch erst ent­stan­den sein, als König Heinrich I. 934 in der “Schlacht von Haithabu” die Dänen besiegte und die Stadt eroberte. Bis dahin hatte König Chnuba, aus einer schwe­di­schen Dynastie stam­mend, über die Stadt Haithabu geherrscht.

Heinrich I. bezog als neuer Markgraf seine Residenz in Haithabu. Damit fiel das Gebiet für etwa ein Jahrhundert an das Heilige Römische Reich. Als Verbindung des Fränkischen Reichs mit Skandinavien in der Süd-​Nord-​Ausdehnung sowie zwi­schen der Ostsee und Nordsee in der Ost-​West-​Ausbreitung stieg es zum zen­tra­len Warenumschlagplatz auf.

Bereits um 850 war in Haithabu die erste christ­li­che Kirche errich­tet wor­den, ver­mut­lich unter dem Erzbischof Ansgar von Hamburg. Obwohl die­ser Bau urkund­lich belegt ist, konnte er bis­lang archäo­lo­gisch bis auf eine aus dem 10. Jahrhundert stam­mende, 1978 gebor­gene Bronzeglocke noch nicht nach­ge­wie­sen wer­den. Nachdem Kaiser Otto Haithabu besucht hatte, wurde die Stadt 948 Bischofssitz. Im glei­chen Jahr hatte der däni­sche König Harald Blauzahn die Hoheit des Kaiserreiches aner­kannt. 983 eroberte er Haithabu von den Franken zurück, auch wenn die Stadt noch um das Jahr 1000 zum Machtbereich des deut­schen Kaisers zählte.

1050 wurde die Handelsstadt in einer Schlacht zwi­schen Harald Hardrada von Norwegen und Sweyn II. zer­stört. Der sie umge­bende neun Meter hohe Wall mit zusätz­li­cher Palisade hielt den Kämpfen nicht stand. Der Wiederaufbau erfolgte nur teil­weise. Die Slawen plün­der­ten und zer­stör­ten Haithabu 1066. Daraufhin ver­leg­ten die Einwohner ihre Siedlung an das andere Schlei-​Ufer nach Schleswig, das Haithabus Erbe über­nahm. Vermutlich war auch der Hafen mitt­ler­weile zu klein für die immer grö­ße­ren Handelsschiffe gewor­den. Haithabu wurde nicht wie­der auf­ge­baut und ging verloren.

Schleswig wurde spä­ter Hauptstadt des Herzogtums Schleswig und hat heute etwa 25.500 Einwohner. Zu den sehens­wer­ten Bauwerken in Schleswig zäh­len das Schloss Gottorf mit dem Riesenglobus, der Dom und der Wikingturm.

Die Siedlung der Wikinger

Haithabu war zwi­schen dem 9. und 11. Jahrhundert ein Siedlungsplatz der Wikinger und eines der bedeu­tends­ten wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Zentren des Nordens. Nach dama­li­gen Maßstäben konnte Haithabu als Weltstadt des Mittelalters bezeich­net wer­den. Es war Hauptumschlagsplatz zwi­schen Skandinavien, dem Nordseeraum und dem Baltikum. Im Jahre 1066, das Jahr, in dem auch die Wikinger-​Zeit endete, wurde Haithabu bei einem Brand zer­stört und nicht wie­der auf­ge­baut. Die in Vergessenheit gera­tene Siedlung wurde erst 1897 wiederentdeckt.

Haithabu war von einem noch gut erhal­te­nen Halbkreiswall von etwa 600 m Durchmesser umge­ben. Es lag süd­lich der Stadt Schleswig am Haddebyer Noor zwi­schen Nordsee und Ostsee. In der Nähe befin­den sich das Danewerk, das Haithabu zusätz­lich schützte, sowie der his­to­ri­sche Heerweg, auch als Ochsenweg bekannt. Heute heißt das Gebiet um Haithabu Haddeby und gehört zur Gemeinde Busdorf im Kreis Schleswig-​Flensburg. Das Gelände inner­halb des 1,3 km lan­gen und bis zu 10 m hohen Halbkreiswalls ist etwa 26 ha groß.

Das Rätsel um den Namen

Lange Zeit war die Namensgebung unklar. Haethum in angel­säch­si­schen Quellen vom Ende des 9. Jahrhunderts und Haithabu auf Runensteinen aus dem 10. Jahrhundert einer­seits, Sliesthorp in den Fränkischen Reichsannalen aus dem zei­ti­gen 9. Jahrhundert und Sliasvich bei Rimbart in der Mitte des glei­chen Jahrhunderts ande­rer­seits, führ­ten zu Verwirrung und zu der Frage, ob mit Haithabu und Schleswig viel­leicht zwei Siedlungen par­al­lel bestan­den haben könnten.

Bodenfunde lie­ßen diese Möglichkeit jedoch wie­der ver­wer­fen. Die Umsiedlung der Einwohner von Haithabu nach Schleswig erfolgte wahr­schein­lich in der Mitte des 11. Jahrhunderts. Viel wahr­schein­li­cher ist, dass meh­rere Namen auf­grund der ver­schie­de­nen Bevölkerungsstämme benutzt wur­den und diese im Laufe der Jahrhunderte, als die Siedlung inner­halb des Halbkreiswalls bestan­den hatte, ange­passt wor­den waren. Der Name Haithabu geht ver­mut­lich auf die Dänen und der Name Sliasvich auf die Sachsen zurück. Die Siedlung am Nordufer der Schlei wurde nach der Aufgabe von Haithabu letzt­end­lich Schleswig genannt.

Handelsschauplatz der Wikinger

Haithabu lag stra­te­gisch güns­tig an der Kreuzung von zwei wich­ti­gen Handelsrouten. Die Nord-​Süd-​Verbindung von Viborg in Jütland nach Hamburg führte nur wenige Kilometer west­lich von Haithabu über den Ochsenweg. In West-​Ost-​Richtung gab es die Seehandelsroute zwi­schen Nordsee und Ostsee, die über die Flüsse Eider, Treene, Rheider Au und Schlei führte. Die eine Theorie besagt, dass die Schiffe von der Rheider Au zum Selker Noor über Land gezo­gen wur­den, eine zweite These sieht den Kograben des Danewerks als ehe­mals was­ser­füh­ren­den Schifffahrtskanal.

In Haithabu wur­den eigene Münzen geprägt und Waren aus der gesam­ten damals bekann­ten Welt gehan­delt. Aus Irland, Norwegen, Schweden, dem Frankenreich, England und dem Baltikum kamen über­wie­gend Rohstoffe, wäh­rend Luxusgüter, dazu zähl­ten unter ande­rem Gewürze, haupt­säch­lich aus Bagdad und Konstantinopel impor­tiert wur­den. Funde von eiser­nen Fuß- und Handfesseln las­sen dar­auf schlie­ßen, dass Haithabu sehr wahr­schein­lich auch ein grö­ße­rer Marktplatz für den Sklavenhandel war.

Beste Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für Haithabu waren opti­mal, um zu einer bedeu­ten­den Stadt her­an­zu­wach­sen. So führ­ten neben dem Seehandel auch die Zuwanderung von Handwerkern und die zwangs­weise Ansiedlung von Kaufleuten aus dem vom Dänenkönig Gudfred zer­stör­ten Reric zu einem Anstieg der Einwohnerzahl. Die Bevölkerung von Haithabu war nicht auf ihre Selbstversorgung ange­wie­sen. Die Bauern aus der nähe­ren Umgebung erziel­ten einen Getreideüberschuss, den sie in die Stadt ver­kauf­ten. So konn­ten sich in Haithabu viele andere Berufe eta­blie­ren und Handwerker spezialisieren.

In der zwei­ten Hälfte des 10. Jahrhunderts, in der Zeit, als Haithabu vor­über­ge­hend zum Heiligen Römischen Reich gehörte, gewan­nen die Herstellung und Bearbeitung von Tonwaren, Glas und Werkzeug an Bedeutung. Die große Anzahl an gefun­de­nen bun­ten Glasperlen lässt einer­seits den Rückschluss auf Schmuckherstellung zu, ande­rer­seits avan­cier­ten Glasperlen im Frühmittelalter in Europa zu einer begehr­ten Handelsware, die als Zahlungsmittel im Tausch gegen Elfenbein, Edelmetalle, Gewürze und Stoffe ein­ge­setzt wurde. Angesichts des­sen gal­ten aus Glasperlen gefer­tigte Schmuckstücke als beson­ders wert­voll und seine Trägerinnen und Träger als reich.

Der Bericht eines Zeitgenossen

Ein jüdi­scher Kaufmann, der unter dem ara­bi­schen Namen Ibrahim ibn Ya’qub al-​Tartuschi im Auftrag des Kalifen von Cordoba reiste, berich­tete 965 über Haithabu, die Stadt am ande­ren Ende des Weltmeeres hätte: “… wenig an Vermögen und Schätzen zu bie­ten. Die Einwohner essen haupt­säch­lich Fisch, den es reich­lich gibt. Die Menschen wer­fen ein Neugeborenes häu­fig lie­ber ins Meer, als es auf­zu­zie­hen.” Er erklärte diese Ungeheuerlichkeit damit, dass so Kosten gespart wür­den. Ob diese Kindsertränkungen wirk­lich gesche­hen sind?

Weiterhin berich­tete er von einer Kirche, wobei die meis­ten Einwohner den­noch Sirius ver­eh­ren und zu des­sen Ehren aus­schwei­fende Ess- und Trinkgelage abhal­ten wür­den. Außerdem wusste Ibrahim ibn Ya’qub al-​Tartuschi zu berich­ten, dass er noch nie “einen so grau­en­vol­len Gesang gehört” habe, der “wie ein Knurren aus ihren Kehlen, wie Hundegebell, nur noch tie­ri­scher” klinge.

Aufgrund der Einseitigkeit sind diese Berichte mit Vorsicht zu genie­ßen. Sie resul­tier­ten ver­mut­lich aus den gra­vie­ren­den kul­tu­rel­len Unterschieden zwi­schen dem Juden und der Stadt. Positiv äußerte sich der Kaufmann hin­ge­gen über ein Detail, das haupt­säch­lich der weib­li­chen Bevölkerung zukommt: “Sie haben künst­li­che Schminke für die Augen. Wenn sie sie auf­tra­gen, ist es nicht zum Nachteil ihrer Schönheit; im Gegenteil, sie wird bei Männern wie Frauen noch betont.”

Die Siedlung von Haithabu

Bei den Ausgrabungen und den Forschungen in den 1930er Jahren wur­den unter ande­rem im Hafenbereich von Haithabu Materialien gefun­den, die auf Wohnhäuser in zwei­er­lei Bauausführung zurück­zu­füh­ren sind. Herbert Jankuhn schloss dar­aus, dass in Haithabu wenigs­tens zwei unter­schied­li­che Bevölkerungsarten ansäs­sig waren, einer­seits nor­di­scher, also wikin­gi­scher, ande­rer­seits westgermanisch-​friesischer Herkunft. Unterschiede in auf­ge­fun­de­nen kunst­ge­werb­li­chen Erzeugnissen bestä­ti­gen diese These.

Funde aus dem 10. und 11. Jahrhundert im Bereich der Bachniederung gaben Aufschluss über die dama­lige Stadtbebauung. Nach einer Brandkatastrophe wurde das Bachbett gegen Ende des 11. Jahrhunderts neu ein­ge­fasst. Anhand der Funde wird ver­mu­tet, dass die Häuser aus Holz und Flechtwerkwänden bestan­den hat­ten und mit Reet oder Stroh gedeckt waren. Sie hat­ten Grundflächen zwi­schen 3,5 x 17 m und 7 x 17,5 m. Die ein­zel­nen Gehöfte waren durch Holzzäune von­ein­an­der getrennt, bestan­den jeweils aus meh­re­ren Häusern und ver­füg­ten über eigene Brunnen.

Im Zentrum bestand die frühe Siedlung haupt­säch­lich aus gerad­li­ni­gen Straßen und Gräben sowie einem Brunnen. Durch den Bach, der sich ein Stück süd­li­cher vom heu­ti­gen Bachlauf durch das Gebiet schlän­gelte und im 10. Jahrhundert eine Holzeinfassung hatte, sowie einen Weg wurde Haithabu in vier Viertel geglie­dert. Funde wie Gussformen und ein Glasschmelzofen, der auf den Überresten eines abge­brann­ten Grubenhauses errich­tet wor­den war, beleg­ten, dass im Nord-​Ost-​Viertel die Handwerker ange­sie­delt waren. Die Nähe zum Bach und die Entfernung von den Wohnhäusern diente dem Schutz der gesam­ten Siedlung.

Alte Aufzeichnungen berich­ten von zwei Brücken, die Haithabu einst mit Schleswig ver­bun­den haben sol­len. Möglicherweise könn­ten damit aber ein­fach die Landungsbrücken gemeint sein. 2007 wurde eine um 1090 erbaute Landungsbrücke in Schleswig aus­ge­gra­ben, die Teil einer Hafenanlage gewe­sen war. Der Fund befand sich in einem außer­or­dent­lich guten Zustand und war offen­bar durch die Verschüttung mit über­wie­gend Stallmist um 1200 kon­ser­viert worden.

Der die Siedlung schüt­zende Halbkreiswall ver­fügte über einen spitz nach innen zulau­fen­den Graben an der Außenseite und wurde im Laufe von zwei Jahrhunderten neun­mal umge­baut, sei es durch Erhöhung oder Verstärkung. So war bei der ers­ten Stadtumwallung an ihrer Vorderseite eine Palisade befes­tigt, zudem ver­fügte sie über einen Wehrgang. Diese Stadtmauer wurde immer wie­der aus­ge­baut, bis sie letzt­end­lich eine ver­mut­li­che Höhe von 14 m erreicht hatte und über zwei über­ein­an­der­lie­gende Wehrgänge verfügte.

Die Gräber von Haithabu

Im west­li­chen Siedlungsgebiet wur­den ver­schie­dene Gräbertypen ent­deckt. Über ein Gräberfeld wur­den im Laufe des 10. Jahrhunderts Häuser gebaut, so dass von einer Besiedlung von Haithabu über meh­rere Jahrhunderte aus­ge­gan­gen wer­den kann. Neben däni­schen Brandgruben und christ­li­chen Erdgräbern wur­den säch­si­sche Urnengräber und schwe­di­sche Kammergräber gefun­den. Dies lässt auf eine inter­na­tio­nale Bevölkerung sowie den Einfluss der Christianisierung in der ers­ten Hälfte des 9. Jahrhunderts schlie­ßen. Untersuchungen an Skeletten erga­ben, dass die Bewohner sel­ten über 40 Jahre alt wur­den. Oft waren wohl vor allem die letz­ten Lebensjahre schmerz­haft mit Lähmungserscheinungen oder Tuberkuloseerkrankungen verbunden.

Die Runensteine von Haithabu

Die Runensteine von Haithabu stel­len his­to­ri­sche Zeugnisse und Gedenksteine dar. Auf Haithabu bezie­hen sich vier Runensteine, die in zwei Gruppen unter­teilt und im Original im Wikinger-​Museum in Haithabu aus­ge­stellt sind. Nachbildungen befin­den sich in etwa an der jewei­li­gen Fundstelle.

Die Svensteine bestehen aus dem Erikstein und dem Skarthistein. Nach Auswertung ver­füg­ba­rer Quellen kann ver­mu­tet wer­den, dass beide Steine sich auf eine Belagerung Haithabus bezie­hen, aus dem spä­ten 10. oder zei­ti­gen 11. Jahrhundert stam­men und von ein und dem sel­ben König Sven gestif­tet wurden.

Der Erikstein wurde schon 1796 zwi­schen Haithabu und dem Königshügel ent­deckt. Auf dem Kreuzberg befan­den sich drei Grabhügel, zwi­schen denen der umge­fal­lene Erikstein gefun­den wurde. Seine Kopie steht in Wedelspand an der Straße K1. Der Skarthistein wurde 1857 süd­lich von Busdorf nahe eines Grabhügels ent­deckt. Möglicherweise gehör­ten die im Grab gefun­de­nen Skelettüberreste zu jenem Skarthi, dem der Runenstein gewid­met war. Skarthi diente sei­ner­zeit unter dem däni­schen König Sven Gabelbart und fiel ver­mut­lich im Kampf um Haithabu im Jahre 983. Der Skarthistein ist der ein­zige Runenstein in Deutschland, der, wenn auch als Nachbildung, an sei­nem ursprüng­li­chen Platz im Freien in Busdorf steht.

Die Sigtryggsteine sind die älte­ren Runensteine, die aus der Mitte oder dem Ende des 10. Jahrhunderts stam­men. Sie bezie­hen sich auf Sigtrygg, Sohn der Königin Asfrid, die ihm diese Steine wid­mete. Der große Sigtryggstein mit schwe­di­schen Runen wurde 1797 zwi­schen dem Haddebyer und dem Selker Noor ent­deckt, eine Kopie befin­det sich ebenda. König Sigtrygg wurde ver­mut­lich um 940 vom neuen däni­schen König Gorm aus Dänemark ver­trie­ben. Er kam mög­li­cher­weise drei Jahre spä­ter bei einem Wikinger-​Feldzug in der Normandie ums Leben. Der kleine Sigtryggstein, eine Kopie steht im Areal der Wikinger-​Häuser, mit däni­schen Runen ent­deckte man 1887 ein­ge­mau­ert in den Fundamenten einer Bastion von Schloss Gottorf in Schleswig.

Die Hochburg von Haithabu

Geht man am neuen Friedhof von Haddeby vor­bei, gelangt man rasch zu einer natür­li­chen Anhöhe, der Hochburg von Haithabu. Vielleicht exis­tierte hier bereits vor der Gründung Haithabus eine Fluchtburg. In dem fla­chen Wall am Abhang befan­den sich mög­li­cher­weise drei Tore. Viele inzwi­schen stark ver­flachte Hügel zwi­schen den Bäumen las­sen auf einen frü­he­ren Begräbnisplatz schließen.

Die Wiederentdeckung von Haithabu

Nachdem Haithabu zer­stört und nicht wie­der auf­ge­baut wor­den war, ver­fiel die auf­ge­ge­bene Siedlung zum Ende des 11. Jahrhunderts auch auf Grund des Wasseranstiegs von Ostsee und Schlei. Der Hafenbereich sowie das Siedlungsgelände gin­gen ober­ir­disch voll­stän­dig ver­lo­ren. Schließlich geriet der Ort gänz­lich in Vergessenheit. Irrtümlich war die halb­kreis­för­mige Wallanlage lange Zeit im Volksmund als die “Oldenburg” bezeich­net worden.

1897 ver­mu­tete der däni­sche Archäologe Sophus Müller das alte Haithabu inner­halb des Halbkreiswalls. Seine Annahme wurde erst drei Jahre spä­ter bestä­tigt, wor­auf­hin bis 1915 umfang­rei­che Grabungen statt­fan­den, um die Rolle Haithabus für die Geschichte Dänemarks zu erforschen.

Grabungen unter Herbert Jankuhn

Weitere inten­sive, umfas­sende Ausgrabungen im Bereich des Halbkreiswall fan­den zwi­schen 1930 und 1939 unter Herbert Jankuhn statt, wobei diese seit 1934 unter der Schirmherrschaft von SS-​Reichsführer Heinrich Himmler stan­den. Im Jahr dar­auf ver­lieh Himmler dem wie­der­ent­deck­ten Haithabu den Status “Deutsche Kulturstätte”. Jankuhn wurde 1945 ver­haf­tet und die Grabungen unter Kurt Schietzel fort­ge­führt. Nachdem Jankuhn 1948 ent­las­sen wurde, konnte er im fol­gen­den Jahr seine Arbeit in Haithabu wie­der aufnehmen.

Dass das Gebiet des frü­he­ren Haithabus nie über­baut wor­den war und auf­grund der Nässe der Uferbereich gut erhal­ten blieb, waren äußerst güns­tige Voraussetzungen für die Archäologen. Ab 1959 wur­den die gesamte Südsiedlung außer­halb des Halbkreiswalles sowie ein beträcht­li­cher Teil des alten Siedlungskerns inner­halb des Walles ausgegraben.

Auf einer Tauchfahrt 1953 im Hafen wur­den Reste der Hafenpalisade sowie das Wrack eines Wikingerschiffes ent­deckt, wel­ches einst nach einem Brand unter­ge­gan­gen war. Erst 1979, über ein Vierteljahrhundert spä­ter, bot sich die Möglichkeit das Wrack zu heben und zu ber­gen. Das 24 m lange und 6 m breite Langschiff wurde kon­ser­viert, rekon­stru­iert und im Wikinger-​Museum Haithabu aus­ge­stellt. Außerdem wur­den Landestege, Schiffbrücken, Befestigungsanlagen, Speichergebäude und Werkstätten gefunden.

Als eines der wich­tigs­ten Gräber gilt das Bootkammergrab, das als nied­rige ovale Erhebung süd­lich des Halbkreiswalles zu erken­nen ist. Es wurde 1908 ent­deckt und gilt als in sei­ner Form ein­ma­lig. Die höl­zerne Grabkammer war in einen klei­ne­ren und einen grö­ße­ren Teil unter­teilt und ent­hielt die Beigaben der ver­mut­lich drei Bestatteten. Gefunden wur­den unter ande­rem Pfeile, Schwerter, Silberschmuck und ein Holzeimer. Neben der Grabkammer wur­den die Skelette dreier Pferde identifiziert.

Über der Grabkammer wur­den die Reste eines etwa 16 m lan­gen und unge­fähr 3 m brei­ten Bootes auf­ge­fun­den, des­sen genaue Größe sich auf­grund des Grades der Zerstörung nicht mehr ermit­teln lässt. Die Beisetzung wird zwi­schen das späte 9. und das frühe 10. Jahrhundert datiert. Wer in die­sem Bootkammergrab bestat­tet wor­den war, lässt sich nicht klä­ren. In kei­nem ande­ren bekann­ten Fall wur­den die Toten unter­halb eines Bootes bei­gesetzt. Doch anhand der wert­vol­len Beigaben wird über einen höhe­ren sozia­len Stand spe­ku­liert. Ab 2005 wurde erneut gegra­ben. Damit soll­ten unter anderm der “Stadtplan” über­prüft wer­den, des­sen Anfertigung 2002 begann.

Haithabu und seine Gegenwart

In unmit­tel­ba­rer Nähe des Halbkreiswalles in Haddeby befin­det sich das Wikinger-​Museum Haithabu. Dort wer­den seit 1985 die wich­tigs­ten Funde aus und die Geschichte der Siedlung vor­ge­stellt. Das 1979 aus dem Hafenbecken gebor­gene Langschiff wird in der Schiffshalle gezeigt.

In den frü­hen 2000er Jahren wur­den im Halbkreiswall von Haithabu sie­ben Wikingerhäuser anhand archäo­lo­gi­scher Befunde rekon­stru­iert. Auch Holzstege, eine Mole, ein befes­tig­ter Bachlauf und Landungsstege wur­den nach his­to­ri­schem Vorbild her­ge­stellt. Die Arbeiten gestal­te­ten sich schwie­rig, da viele der im Frühmittelalter übli­chen Handwerkstechniken nicht mehr prak­ti­ziert wer­den. Die Eröffnung der Wikingerhäuser fand 2008 statt. Im sel­ben Jahr wurde ein 6,50 m lan­ges Wikinger-​Boot auf der Museumswerft in Flensburg nach­ge­baut. Es liegt seit 2009 in Haithabu.

Stadttore

Im Halbkreiswall sind noch die Durchlässe erkenn­bar, die einst als nörd­li­ches und süd­li­ches Stadttor genutzt wur­den. Sie befan­den sich dort, wo ein alter Weg durch die Stadt ver­lief und im Norden und im Süden jeweils den Wall schnei­det. Im Westbereich ist in etwa noch die ursprüng­li­che Höhe der Wallanlage erhal­ten, auch der sich vor ihr befind­li­che Graben ist noch gut erkenn­bar. Insgesamt ist der Wall heute zwi­schen 6 und 11 m hoch und reichte einst bis zum Haddebyer Noor hinab, jedoch wur­den seine Enden abge­tra­gen. Etwa mit­tig des Halbkreiswalls zweigt der Margarethen- oder Verbindungswall des Danewerks ab. Von dort kann man zum 1,3 km ent­fern­ten Busdorfer Runenstein, dem Skarthistein, wandern.

Bedeutendes Bodendenkmal

Gemeinsam mit dem Danewerk zählt Haithabu zu den wich­tigs­ten Bodendenkmälern in Schleswig-​Holstein. Island setzte sich seit 2008 mit Dänemark, Deutschland, Norwegen, Schweden und Lettland dafür ein, um Haithabu und das Danewerk als bedeu­tende Stätten der Wikinger-​Kultur als UNESCO-​Welterbe aner­ken­nen zu las­sen. 2011 setz­ten diese Länder ihre Bodendenkmäler auf die Vorschlagslisten. 2018 erkannte die UNESCO Haithabu und das Danewerk als außer­ge­wöhn­li­che Welterbestätte an.

Wikinger Museum Haithabu
Am Haddebyer Noor 5
24866 Busdorf
www.haithabu.de


 

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Last Updated on 7. Februar 2024 by Sachsens Schlösser

Veröffentlicht in Scriptorium.