Stadtbefestigung und Verteidigungsanlagen
Die Stadtbefestigung von Görlitz umfasst die Verteidigungsanlagen von Görlitz zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert und bestand aus der Stadtmauer, die das heutige Gebiet der historischen Altstadt umfasste, aus Stadttoren, Basteien, Türmen und Gräben. Weite Teile der Stadtmauer wurden im 19. Jahrhundert abgebrochen.
Die Stadtmauer war ursprünglich etwa 3,7 km lang. Im Nordwesten befand sich der ehemalige Pulverturm. Zwischen dem Nikolaiturm im Nordwesten und der Peterskirche im Südosten ist die Stadtbefestigung weitestgehend erhalten und als Grünanlage Nikolaizwinger vorhanden. Im Nordosten der Stadtmauer befindet sich die Hotherbastei. Die Mauer setzte sich im Ochsenzwinger nach Süden fort. Die südöstliche Eckbastion war der Schwedische Fähnrich. Weiter folgte die Stadtmauer in Richtung des Frauentores und des Dicken Turmes. Von letzterem aus verlief sie bis zum Kaisertrutz und entlang des heutigen Grünen Grabens bis zum Pulverturm.
Bis zur Stadterweiterung um 1250 war die Stadtanlage vermutlich nur von Holzpalisaden geschützt. Mit der Stadterweiterung wurden diese durch steinerne Mauern ersetzt. Gleichzeitig wurde der Mauerring um die Stadt erweitert. Die Stadtmauer umfasste Görlitz fast vollständig durch einen doppelten Ring. Die inneren Mauern überragten dabei die äußeren Mauern höhenmäßig. Das Gebiet zwischen den beiden Mauern wurde als Zwinger bezeichnet und trug Namen wie Bauzwinger, Holzzwinger, Nikolaizwinger, Rähm-Zwinger, Röhrzwinger, Schießzwinger und Waisenhauszwinger.
1639 wurde Görlitz von schwedischen Truppen besetzt. In diesem Zusammenhang wurde die Stadtbefestigung durch zusätzliche Gräben und Palisadenwälle verstärkt. Zwei Jahre später begann die Belagerung der Stadt durch über 10.000 kursächsisch-kaiserliche Soldaten mit Artillerie. Nach zehn Wochen kapitulierten die schwedischen Truppen. Die verursachten Schäden an der Stadtmauer wurden erst ab 1664 behoben.
Ab 1837 wurden im südlichen Bereich die Mauerkränze der Stadtbefestigung zurückgebaut. Um den kompletten Verteidigungsring abbrechen zu dürfen, wurde die Zustimmung des preußischen Staates benötigt. Die Erlaubnis wurde mit den Auflagen erteilt, eine neue Kaserne, die heutige Jägerkaserne sowie ein Blockhaus zum militärischen Schutz des Eisenbahnviaduktes über die Neiße zu errichten. 1848 wurde mit dem Abriss des Mauerringes im Süden begonnen und bis 1855 fortgeführt. Einige Bereiche blieben vom Abriss verschont. Die Jägerkaserne wurde zwischen 1854 und 1858 errichtet und bis 1945 als Unterkunft für in Görlitz stationierte Truppenverbände genutzt. Heute ist darin die Stadtverwaltung untergebracht. 1856 begann der Bau für das Blockhaus. Es wurde bis 1951 als Restaurant genutzt und dient seit 1954 als Kindertagesstätte.
Bastionen
Um 1700 befanden sich 20 runde Basteien auf der äußeren Mauer und 12 viereckige Bastionen auf der inneren Mauer. Die äußeren Basteien wurden auch Rondell genannt.
- Kaisertrutz: Der Kaisertrutz war die wichtigste Bastion. Den Namen erhielt sie 1641, als die Schweden der Belagerung durch kursächsisch-kaiserliche Truppen trotzten. Weitere Namen waren Reichenbacher Rondell oder Großes Rondell. Vor dem Bau der Bastei 1490 befand sich an gleicher Stelle das Budissiner Tor. 1848 wurde der umlaufende Graben aufgefüllt und der Kaisertrutz zur Hauptwache der preußischen Garnison umgebaut. 1932 eröffnete darin ein Heimatmuseum. Von 2010 bis 2011 erfolgte die Sanierung.
- Hotherbastei: Die Hotherbastei ist die einzige noch erhaltene Eckbastei der ehemaligen Stadtmauer. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut. Das Obergeschoss verfügt über mehrere große Kanonenluken.
- Ochsenbastei: Die Ochsenbastei fand schon 1370 als Tor an der Kahle Erwähnung. Später wurde sie auch als Kahletor, Kaltor oder Neutor an der Kahle bezeichnet. 1525 brannte die Bastei ab und wurde erst 1536 neu errichtet. 1834 wurde ein Teil des Kahletores abgebrochen. Erhalten ist nur noch das westliche Rondell.
- Pulverturm: Eines der Rondelle war der Pulverturm, auch Pulverbastei genannt. Der Name stammt möglicherweise von der nahen Pulvermühle außerhalb der Stadt. Vielleicht wurde der Turm aber auch zur Einlagerung von Munition genutzt. Er wurde bei der Belagerung 1641 stark beschädigt.
- Schwedischer Fähnrich: Der Schwedische Fähnrich befand sich an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer. Seinen Namen erhielt er während der Belagerung der Stadt 1641, als er von den kaiserlich-kursächsischen Truppen erstürmt wurde. Er wurde während der Belagerung zerstört und erst 1664 wieder aufgebaut. 1845 begann der Abbruch der Bastion.
- Spittelturm: Der Spittelturm (auch Spitalturm) war die einzige Bastion auf dem Ostufer der Neiße. Er fand bereits 1470 als Bastei vor der Mühle Erwähnung und erlitt schwere Zerstörungen während der Belagerung 1641. Der Spittelturm wurde bereits 1824 abgerissen.
- Weitere Basteien sind unter anderem die Bastei am Baumgarten, die Rote Bastei und die Zielstatt-Bastion.
Stadttore und Stadttürme
Das mittelalterliche Görlitz verfügte über fünf Stadttore, von denen vier mit einem großen Stadtturm gesichert waren. Ein Zugang zur Stadt war damit aus jeder Himmelsrichtung möglich.
- Nikolaiturm und Nikolaitor: Die Toranlagen ermöglichten den Zugang aus Richtung Norden. Die ursprünglich hölzerne Brücke der Toranlage wurde 1586 durch eine steinerne Brücke ersetzt. Durch das Tor wurden Verurteilte zur Richtstätte geführt. 1848 wurde die Toranlage abgebrochen. Der Nikolaiturm stammt aus den Anfängen der Stadt und wurde im Laufe der Jahre nur wenig baulich verändert.
- Neißeturm und Neißetor: Der Neißeturm war der einzige eckige Stadtturm und befand sich im östlichen Bereich von Görlitz. am Übergang zur alten Neißebrücke. Er wurde erstmals 1315 erwähnt, bei den Stadtbränden 1525 und 1726 komplett zerstört und beide Male wieder aufgebaut. 1841 begannen die Abrissarbeiten der Toranlage und des Turms.
- Webertor: Über das Webertor erfolgte der Zugang zur Stadt für Fußgänger aus Südosten. Vormals befand sich hier eine Bastei, die 1488 unter dem Namen Hoesattels Bastei erwähnt wurde. 1427 wurde eine Pforte in der Webergasse erwähnt, die zwischen 1470 und 1568 geschlossen war. 1792 wurde die Pforte erweitert, 1845 jedoch wieder abgerissen. Aus den Trümmern entstand ein neues, breites Tor, welches schon 1853 / 1854 abgerissen wurde.
- Frauenturm und Frauentor: Der Frauenturm wird auch Dicker Turm oder Zittauer Turm genannt. Er wurde um 1250 errichtet und trägt seit 1856 das Wappen der Stadt. Das Frauentor ermöglichte den Zugang aus Süden und war dreifach ausgelegt. Das äußere Tor wirkte basteiähnlich und war mittels einer starken Mauer beidseitig mit der Stadtmauer verbunden. Die Zugbrücke wurde 1772 durch eine Steinbrücke ersetzt. Zwischen 1838 und 1848 wurden die Tore abgetragen und die Gräben verfüllt.
- Reichenbacher Turm und Reichenbacher Tor: Der Reichenbacher Turm und das dazugehörige Tor ermöglichten den Zugang zur Stadt aus westlicher Richtung. Der Turm wurde erstmals 1376 erwähnt und 1485 umgebaut. 1869 entstand der Fußgängerdurchgang unter dem Turm.
Befestigungsanlagen der Vorstädte
1474 wurde mit der Befestigung der Vorstädte begonnen, die auch den Töpferberg auf der heutigen Zgorzelecer Seite umfasste. Weitere besondere Beachtung fanden die Nikolaivorstadt (ehemals Niederviertel, sowie die Mauern rund um die Frauenkirche. Auch in den Vorstädten existierten Tore. Dazu zählten das Finstertor (auch Armesündertor), das Hothertor, das Kreuztor, das Kutteltor, das Niedertor, das Spitaltor, das teichtor und das Töpfertor. In der Vorstadt östlich der Neiße gab es die Wasserpforte (auch Neißepforte), das Laubaner Tor und das Rabentor. Letzteres wurde 1852 abgebrochen.
Der Bau der Äußeren Stadtgräben begann vermutlich ebenfalls um 1474 und wurde bis 1477 ausgeführt. Über den Verlauf des Stadtgrabens existieren nur abschnittsweise historische Kartenwerke.