Mittelalterliche Burganlagen in der Sächsischen Schweiz
Die Sächsische Schweiz zählt zu den schönsten Wandergebieten Deutschlands und bietet neben abwechslungsreichen Routen und herrlichen Ausblicken auch eine Vielzahl von mittelalterlichen Befestigungsanlagen. Reisen Sie zurück ins Mittelalter, als diese Burgen noch gestürmt und verteidigt wurden, als das Essen noch frisch zubereitet werden musste, weil es keine Dosenravioli gab, als Kleidung aus Leinen genäht und Kettenhemden angefertigt wurden, als man zu spät kam, weil das Pferd unterwegs zusammengebrochen war und nicht der gesamte öffentliche Personennahverkehr aufgrund dreier Schneeflocken, als mit Gold- und Silbertalern anstatt EC-Karte gezahlt wurde, als es noch keine Hausbesetzer gab, sondern Raubritter.
Auch wenn tatsächliche oder selbsternannte Fachleute die Begriffe “Raubschloss” und “Raubritter” oft ablehnen, werden diese Bezeichnungen hier verwendet, denn langweiliges Fachchinesisch ist nicht das Ansinnen von “Sachsens Schlösser”. Als wander- und gebietserfahrene Hobby-Burgenforscherin möchte ich die Ausführungen weniger wissenschaftlich gestalten, sondern allgemein verständlich – und mit dem Hauch Faszination, den Mythen und Legenden ausüben. Die Zugänge zu den Resten der Burganlagen sind oft abenteuerlich, daher ist in mehreren Fällen auch Schwindelfreiheit notwendig. Es werden in jedem Fall ausgewiesene Wanderwege und Bergpfade benutzt.
Apropos Raubritter…
Ritter gehörten etwa ab dem 13. Jahrhundert zum niederen Adel. Für besondere und ehrenvolle Verdienste konnten Landesfürsten und Könige Männer in den Ritterstand erheben. Der Titel war in den meisten Fällen erblich und konnte somit auf die Söhne übertragen werden. Ritter waren Einzelkämpfer, die sich in einer Schlacht zu einem Heer von Einzelkämpfern vereinten.
Der Niedergang des Rittertums war ein eher schleichender Prozess, der bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts einsetzte und sich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts hinzog. Einerseits trugen militärische Veränderungen dazu bei, andererseits gab es auch wirtschaftliche Gründe. Beides in Kombination führte zu grundlegenden Änderungen.
Mit der Erfindung des Schießpulvers wurde eine bessere Kriegsführung möglich, zudem erschwerten die aufkommenden Feuerwaffen eine Kampfausübung. Ein entscheidender Nachteil des Ritterheeres bestand darin, dass die massiven Rüstungen für Ross und Reiter nachteilig wirkten, sei es durch das Gewicht oder durch die eingeschränkte Beweglichkeit. Die Taktik wurde dahingehend geändert, gut organisierte Fußtruppen zu etablieren.
Hier setzte auch der wirtschaftliche Faktor an. Fürsten und Könige wollten sich mit der Verdrängung der Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft aus der finanziellen Abhängigkeit lösen und bevorzugten zunehmend Söldnerheere. Zur Verdeutlichung können im übertragenen Sinne Ritter als Festangestellte und Söldner als Zeitarbeiter betrachtet werden.
Die Ritter verloren daraufhin zunehmend an Bedeutung. Einige schafften den Einstieg als hochbezahlte Söldner, andere stiegen in den Reichsritterstand oder in Posten als Hofräte und Minister auf. Grundlage dessen war oft ein ausgedehnter Grundbesitz, der mit besonderen Rechten versehen war, die sogenannten Rittergüter, deren Erträge für ein gutes Auskommen des Ritters und seiner Familie sorgten.
Ein Teil der ehemaligen Ritterschaft verarmte jedoch und der vormalige Zusammenhalt löste sich auf. Unter Berufung auf das alte Fehderecht gingen sie zum Raubrittertum über. Fehden als Teil des ritterlichen Lebens waren in großen Teilen Europas nach wie vor zugesichert und wurden erst 1495 verboten. Als Raubritter bereicherten sie sich durch Straßenraub, Fehden, Belagerungen und Plünderungen und sorgten somit für ihr Auskommen.
Der Begriff “Raubritter” gilt als Neuschöpfung, der erst im ausgehenden 18. Jahrhundert auftauchte und (unter anderem) einem Roman entliehen wurde. Besonders viele Burgwarten und Raubschlösser befinden sich hier:
Die Anlagen in der Sächsischen Schweiz
Die Sächsische Schweiz war einst Standort zahlreicher Raubschlösser, Felsenburgen und Burgwarten. Insgesamt 32 habe ich mittlerweile ausfindig machen können. Zu diesen Raubschlössern und Burgwarten liegen Informationen in unterschiedlichem Umfang vor, und nicht alle diese mittelalterlichen Bauwerke können ohne weiteres besichtigt werden. Einige Anlagen befinden sich auf Klettergipfeln, andere in der Kernzone, die nur mit Sondergenehmigung betreten werden darf. Wieder andere Anlagen erfordern Höhentauglichkeit und Schwindelfreiheit, wenn man sie besichtigen möchte.
Für geschichtliche Infos über die Raubschlösser, Burgwarten und Felsenburgen klicken Sie einfach auf die jeweilige Verlinkung:
Burgen und Raubschlösser:
- Burg Lilienstein
- Burg Neuer Wildenstein
- Burg Schwarzberg
- Felsenburg Neurathen
- Goßdorfer Raubschloss
- Hinteres Raubschloss
- Ottendorfer Raubschloss
- Raschgärtners Raubschloss
- Vorderes Raubschloss
Burgwarten, die auf Wanderwegen erreicht werden können:
- Burgwarte Alter Wildenstein
- Burgwarte Großstein
- Burgwarte Hausberg
- Burgwarte Heulenberg
- Burgwarte Hockstein
- Burgwarte Mühlberg
- Burgwarte Nasenberg
- Burgwarte Pinsenberg
- Burgwarte Richters Hau
- Burgwarte Schomberg
- Burgwarte Wartenberg
- Folgenwarte
- Fuchswarte
- Hofwarte
Burgwarten, die nur durch bergsportliche Kletterei erreicht werden können:
- Burgwarte Falkenstein
- Burgwarte Lorenzstein
- Burgwarte Nonnenstein
- Burgwarte Rauschenstein
- Burgwarte Vorderer Torstein
- Burgwarte Wartburg
- Burgwarte Wartturm
Burgwarten in der Kernzone
Für Burgwarten in der Kernzone des Nationalparks gelten besondere Vorschriften. Um die Burgwarten aufsuchen zu dürfen, muss eine Genehmigung der Nationalparkverwaltung beantragt werden.
Darüber hinaus gibt es im Rathener Gebiet die Hirschgrundwarte und die Wetterwarte und im Gebiet am Winterstein die Bärfangwarte und die Pechofenwarte. Die Namen sorgen möglicherweise für etwas Verwirrung, doch bei allen vier “Warten” handelt es sich um reine Kletterfelsen, die offenbar nicht im historischen Zusammenhang mit Burgwarten standen. Bisherige Recherchen haben keine anderslautenden Erkenntnisse gebracht.